Lauf-, Rad- und Triathlon-Training: 10 wertvolle Lektionen aus der Erfahrung unserer Coaches
Wir werden oft gefragt, was unsere besten Tipps für eine Verbesserung des Trainings, der Erholung oder für eine Steigerung der Leistungsfähigkeit sind. Neben dem gängigen sport- und trainingswissenschaftlichen Wissen gibt es einige Erkenntnisse, die wir in den letzten Jahren beim Coaching vieler Athlet:innen verschiedenster Leistungsklassen gemacht haben. Diese Erfahrungen, ergänzt durch physiologische Grundlagen und trainingswissenschaftliche Kenntnisse sind es, die den Kern unseres Coaching-Erfolges ausmachen. Deshalb erläutern wir hier unsere Top 10 der letzten Jahre.
1. Consistency is key: Konstantes Training bringt die besten Ergebnisse (und schlägt jedes "Key Workout")
Heute im Training Bäume ausreißen und dann erstmal drei Tage regenerieren müssen - das ist nicht der Weg nach oben. Vielmehr bedeutet sinnvoll trainieren auch, die Belastung pro Einheit so zu dosieren, dass du regelmäßig und ohne Unterbrechungen trainieren kannst. Diejenigen Athlet:innen, die häufiger verletzt sind oder ihr Training öfter für mehrere Tage unterbrechen müssen sind nach unserer Erfahrung auch die, die ein schlechtes Belastungsmanagement haben oder sich nicht an Belastungsvorgaben halten. Die erfolgreichen Sportler:innen sind in der Regel sehr gut darin, einzuschätzen, wie sehr sie sich pro Einheit belasten können, ohne dass die Belastung negative Auswirkungen auf kommendes Training hat. Wir als Coaches sind an der Stelle natürlich auf der planerischen Seite gefordert und konzipieren deshalb immer Trainingspläne mit gezielten Be- und Entlastungsphasen, damit du als Sportler:in nachhaltig und konstant wirkungsvoll trainieren kannst.
2. Regelmäßigkeit > Dauer
Eine 6-Stunden-Radeinheit am Wochenende wird dir nicht viel bringen, wenn dein Trainingsprotokoll sonst eher lückenhaft aussieht. Klar, Umfang ist ein wichtiger Faktor im Ausdauertraining aber für die meisten Sportler:innen ist eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Trainingsreize sinnvoll, damit die Pausen zwischen den einzelnen Reizen nicht 2-3 Tage überschreiten. Viele Berufstätige trainieren besonders am Wochenende etwas mehr und das ist auch völlig in Ordnung - solange innerhalb der Woche trotzdem gezielt Trainingseinheiten absolviert werden, die eben dafür sorgen, dass nicht zu viele Tage ohne Trainingsreiz vergehen.
3. Schlaf ist mit Abstand das beste Recovery-Tool
Schlaf ist das Fundament deiner Erholung. Ein gesunder Schlaf in ausreichender Länge und mit hoher Schlafqualität bringt dir langfristig mehr, als jedes Nahrungsergänzungsmittel, Massagegerät oder der neueste Instagram-Recovery-Trend. Wenn du nicht mindestens 7-9 Stunden pro Nacht gut schläfst, dann gibt es dort wichtigen Optimierungsbedarf.
Verbessere deine Schlafhygiene mit folgenden, wissenschaftlich fundierten Maßnahmen:
- Tageslicht: Versuche, 30-60min nach dem Aufwachen und 30-60min vor dem Schlafengehen nach Draußen zu gehen. Der Einfallswinkel des natürlichen Sonnenlichtes hilft deinem circadianen Rhythmus, sich täglich zu „kalibrieren“. So wirst du Abends zur richtigen Zeit müde und morgens wach.
- Regelmäßigkeit: Je regelmäßiger deine Bettgeh- und Aufwachzeiten sind, desto leichter kann sich dein Körper daran anpassen. Versuche, auch wirklich Schlafen zu gehen, wenn du abends müde bist.
- Koffein: vermeide den Konsum von Koffein 8-10 Stunden, bevor du ins Bett gehst. Aufgrund seiner Halbwertszeit wirst du sonst noch Koffein im System haben, wenn du schlafen gehst, welches deine Schlafqualität reduzieren kann, selbst wenn du initial ohne Probleme einschläfst.
- Helle Lichter: Vermeide helles Licht in den Stunden zwischen 22 Uhr und 4 Uhr. Besonders helles Licht von oben suggeriert deinem Körper, dass die Sonne hoch steht und es mitten am Tag ist. Verwende Abends also eher gedimmtes Licht auf Augenhöhe, etwa so wie die untergehende Sonne.
- Mittagsschlaf: Wenn du tagsüber schläfst, versuche die Dauer dieser Nickerchen auf unter 60min zu reduzieren.
- Nachts aufwachen: Wenn du nachts aufwachst und Schwierigkeiten dabei hast, wieder einzuschlafen, probiere mal ein „Non sleep deep rest“-Protokoll. Du findest z.B. auf YouTube diverse Anleitungen mit dem Suchbegriff „NSDR“ oder „yoga nidra“.
4. RPE > Daten
RPE (Rating of perceived exertion) ist eine Methode, um die subjektiv empfundene Belastung anzugeben. Wir arbeiten im Training mit einer modifizierten Borg-Skala, also einer Skala von 1 (gar nicht anstrengend) bis 10 (maximal anstrengend), um neben all den Daten, die von modernen Laufuhren, Radcomputern, etc. aufgezeichnet werden, auch ein Gefühl der Sportler:innen mit in unserer Überlegungen einbeziehen zu können. Teilweise hat sich eine RPE-Vorgabe sogar als Vorgabe der Trainingsintensität bewährt. In unseren Trainingsplänen geben wir mittlerweile immer einen RPE-Bereich zusätzlich zur Watt- oder Pace-Vorgabe an und ermutigen unsere gecoachten Athlet:innen dazu, ihr Körpergefühl zu schulen. Die empfundene Belastung mittels RPE abzufragen, hat sich als sehr wertvolle Addition in unserer Coach-Athlet:innen-Kommunikation herausgestellt.
5. Grundlage > Intensität
Kann man ein Haus ohne Fundament bauen? Nagut… geht schon, wird aber nicht lange halten und irgendwann bricht es zusammen. Sehr ähnlich verhält es sich mit deiner Fitness. Jegliche Form von Belastungsverträglichkeit und Top End Speed/Power erfordert ein solides Fundament aus Grundlagenausdauer. Ohne die zentralen und peripheren Anpassungen deines Stoffwechsels, die das Grundlagenausdauertraining mit mittellangen bis langen, lockeren Trainingseinheiten erwirkt, wirst du nicht langfristig in hohen Intensitätsbereichen trainieren können und dort nicht optimal auf diese Trainingsreize reagieren. Wenn also deine Belastungsverträglichkeit noch kein umfangreiches UND intensives Training gleichzeitig zulässt, bist du deutlich besser dran, wenn du dich erstmal darauf konzentrierst, im Grundlagenbereich zu trainieren. Später kannst du dann gezielt kleine Dosen intensiveren Trainings hinzufügen, bis du bei deinen gewünschten Trainingsinhalten und spezifischen Intensitäten angekommen bist.
(Auch nach einer überstandenen Corona-Infektion haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, den Wiedereinstieg ins Training erstmal mit einigen Wochen im niedrig intensiven Bereich zu gestalten. Wer zu früh ins intensive Training einsteigt, riskiert, den Wiedereinstiegsprozess hinauszuzögern.)
Wenn du jetzt im Training eine gute Grundlage aufbauen willst, dann schau dir doch mal einen unserer Grundlagen-Trainingspläne an:
6. Leistungszuwachs > Gewichtsreduktion
Sicher hilft es deiner Leistungsfähigkeit, wenn du deine Watt/kg erhöhen kannst. Allerdings sollte das übergeordnete Ziel die Steigerung der Leistungsfähigkeit sein und nicht unbedingt die Reduktion von Körpergewicht. Natürlich ist dieser Punkt sehr individuell und muss differenziert betrachtet werden. Wenn du ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen hast und etwas Körperfett verlieren kannst, muss das nicht schlecht sein und kann sogar deinen allgemeinen Gesundheitszustand verbessern. Bedenke jedoch, dass bereits bei einem Kaloriendefizit von ca. 300-400 kcal/Tag Trainingsreize schlechter verarbeitet werden. Jede Form von Gewichtsreduktion sollte also langsam und kontrolliert vorgehen und immer von einer ausgewogenen und nährstoffreichen Ernährung begleitet sein. Crash-Diäten, starkes Fasten und exzessives Nüchtern- oder Low-Carb-Training können deiner Leistungsfähigkeit und Gesundheit nachhaltig schaden. Besser ist es, erstmal die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Oft geht eine steigende Trainingsleistung ohnehin mit einem leichten Gewichtsverlust einher.
7. Verpflegung währen und nach Trainingseinheiten reduziert Erschöpfung und verbessert Trainingsadaptionen
Grundlagen- oder Fettstoffwechseltraining wirkt nur, wenn ich mich so richtig leer schwimme/fahre/laufe? Das ist Quatsch. Die Adaptionen durch dein Training können viel besser ablaufen, wenn dein Körper Ressourcen zur Verfügung hat, um die Anpassungen auch durchzuführen. Darüber hinaus kannst du bei adäquater Verpflegung im und ums Training mehr Leistung bringen, fühlst dich weniger erschöpft und reduzierst die Gefahr, dein Immunsystem mit anspruchsvollem Training so „platt“ zu machen, dass du krank wirst. Probiere erstmal im Training, welche Form und Menge der Verpflegung du gut verträgst, bevor du dich daran im Wettkampf wagst. Ein guter Startpunkt sind 40-60g Kohlenhydrate/Stunde im Verhältnis von 0,8:1 (Fruktose:Glucose) entweder in Form von Getränken oder Gels. Bei gastrointestinalen Problemen kannst du den Fruktoseanteil reduzieren oder mit der Dosis runter gehen. Auch der Magen-Darm-Trakt muss trainiert werden. Gib dir also ein paar Einheiten Zeit, um dich daran zu gewöhnen, im Training Verpflegung aufzunehmen.
8. Keep it simple: Stelle erstmal die großen Stellschrauben richtig, bevor es an die Feinheiten geht
Wir sagen gerne: Warum den großen Hammer nehmen, solange der kleine ausreichend funktioniert? Bevor wir uns in Feinheiten, Gadgets und Detailanalysen verlieren, definieren wir mit unseren Sportler:innen die großen Stellschrauben, die im Training das beste Verhältnis von Investment (z.B. Zeit, Aufwand) zu Ergebnis haben. Erst, wenn die großen Faktoren (u.A.: Belastungssteuerung, Regenerationsmanagement, Ernährung, Schlaf, Radposition, Leistungsdiagnostik) gut ausgesteuert sind, lohnt es sich, Zeit (und ggf. Geld) in die Feinheiten zu investieren (z.B. weitere Gadgets, Material, Trainingstools, Nahrungsergänzungsmittel).
9. Investiere erst Zeit & Ressourcen in Coaching oder Trainingsplanung, bevor du in Material investierst
Dieser Punkt ist fast schon eine Erweiterung des vorherigen Aspektes. Ein guter Coach und/oder Trainingsplan wird deine Leistungsentwicklung langfristig besser unterstützen können, als ein einmaliges Investment in Material. Er oder Sie kann mit dir (oder für dich) dein vorangegangenes Training analysieren, Stellschrauben definieren und dir dabei helfen, das Training für die nächste Phase optimal zu gestalten. Außerdem kann ein Coach dir vor allem dann von großer Hilfe sein, wenn mal nicht alles perfekt läuft und du in deinem Training etwas anpassen musst um zum Beispiel nach einer Erkältung wieder einzusteigen, eine Dienstreise unterzubringen, auf unzureichende Erholung einzugehen und so weiter. Manchmal muss dein Coach auch die Reißleine ziehen, bevor du dich „kaputt trainierst“ oder deine Erwartungen an kommende Wettkämpfe „einstellen“. Ein guter Coach ist wie ein guter Freund - und bereichert das (Sport-)Leben.
Du schreibst deine Trainingspläne sowieso selbst? Dann lass dich dabei von unseren Workout-Sammlungen für TrainingPeaks inspirieren:
10. Leistungszuwachs ist nicht linear
Dieser letze Punkt ist deshalb nicht minder relevant. Eine perfekte Formkurve, die immer stetig nach oben geht, gibt es im echten Leben leider äußerst selten. Dafür sind die ablaufenden physiologischen Prozesse und die auf dein System wirkenden Reize zu vielfältig und komplex. Auch zeitweise Plateaus oder sogar kurzfristige Rückschritte gehören zu einer langfristigen Leistungsentwicklung dazu. Manchmal kommt es vor, dass man erst eine Weile lang das Training „absorbieren“ oder ein paar Ansätze testen muss, bevor es weiter nach vorne geht. Auch dabei kann dein:e Trainer:in dich unterstützen. Eine gängige Praxis im leistungsorientierten Training ist auch, bestimmte Aspekte der Leistungsfähigkeit temporär zu vernachlässigen, um andere besonders auszuprägen. Dies einschätzen und sinnvoll gestalten zu können, sodass zum Wettkampfziel doch wieder alles funktioniert und du auf allen Zylindern feuern kannst, ist die hohe Kunst des Coachings und der Trainingsplanung.
Dies waren die wichtigsten Erkenntnisse, die wir in den letzten Jahren beim Coaching vieler Athlet:innen verschiedenster Leistungsklassen gesammelt haben. Wir hoffen sehr, dass sie auch dir bei deiner sportlichen Entwicklung eines Tages hilfreich sein werden.