Laktatgesteuertes Schwellentraining und Double Threshold Days: Das norwegische Erfolgsrezept?
Norwegen dominiert aktuell die Weltspitze in den Ausdauersportarten. Namen wie Jakob Ingebrigtsen (Leichtathletik), Gustav Iden oder Kristian Blummenfeld (beide Triathlon) sind weit über ihre Sportarten hinaus bekannt. Ein Faktor dieses Erfolges ist das umfangreiche, teilweise laktatgesteuerte Schwellentraining.
Lange Zeit unter dem Radar der Öffentlichkeit, gab es nun ein spannendes Paper von Marius Bakken et al. (2023), in dem die Trainingsmethodik detailliert dargestellt wurde. Doch wie sieht das Training aus der norwegischen Elite-Ausdauerathleten aus und warum ist es so erfolgreich? Im Folgenden wollen wir Euch das Training vorstellen, die Vorzüge beleuchten und ausführen, ob es auch im Freizeitsportbereich angewandt werden sollte.
Das Training
Das Paper berichtet von typischen Trainingswochen der Mittel- und Langstreckenläufer auf Weltklasse-Niveau. Hierbei wurden 3-4 laktatgesteuerte Einheiten, bei denen die Laktatkonzentrationen bei 2.0-4.5mmol/l lagen, in Verbindung mit einer VO2max Einheit pro Woche absolviert. Eingebettet waren diese Trainingswochen in einen insgesamt hohem Trainingsumfang von niedrig intensivem Training, sodass sich ein Gesamtvolumen von 150-180km/ Woche ergab. Generell wurde mit kurzen Pausen (20-90s, je nach Intervalllänge) innerhalb der Schwellenworkouts gearbeitet. Hier konnte das Tempo der Intervalle auch oberhalb des Halbmarathontempos (hier liegt für gut trainierte Läufer:innen ungefähr das Schwellentempo) absolviert werden, wenn die Intervalle so kurz (für diese Sportler etwa 400m) und die Pausen lang genug waren, sodass die Lakatwerte nicht oberhalb von 4mmol/l anstiegen.
Die Physiologie
Warum ist das Training so erfolgreich? In der Studie wird die Kombination aus einem hohen Gesamtumfang mit dem schwellenorientierten Training über muskelspezifische Adaptationen - einer verbesserten Laktatclearance bei reduzierter Laktatproduktion - und einer erhöhten Rekrutierung der motorischen Einheiten erklärt, ohne dabei den Konsequenzen erhöhter Katecholaminspiegel wie bei einem HIT-Training zu unterliegen (Folge wäre eine größere Ermüdung und deutlich längere Regenerationszeit). Außerdem wird eine Reduktion der Glykogenolyserate bei gleichzeitig erhöhter herzspezifischer Laktat-Dehydrogenase Aktivität postuliert. Dies bedeute eine Schonung der Kohlenhydratreserven und steigere die Fähigkeit, Laktat zu verstoffwechseln.
Die Erkenntnis, dass die Ermüdung sich nicht linear zur Intensität verhält, sondern oberhalb der Anaeroben Schwelle stärker ansteigt, habe besonderes Gewicht. Ein Intensitätsanstieg von wenigen Prozent oberhalb der individuellen anaeroben Schwelle könne eine drastisch gesteigerte Ermüdung bedeuten. Hier liege der Vorteil des Trainingskonzepts: Die schnelle Regeneration und damit eine hohe Dichte und ein hoher Umfang an spezifischen Workouts sei die Stärke dieser Trainingsform.
Die Folge seien eine mitochondriale Proliferation sowohl über den Calcium- als auch dem AMPK-Signalweg. Somit werden beide Anpassungswege, die sonst entweder durch hohe Umfänge oder aber durch HIT-Training stimuliert werden, angesprochen. In Verbindung mit den zentralen Anpassungsmechanismen (Schlagvolumen, Plasmavolumen, LV-Masse usw.) resultiere eine verbesserte LT2 (Anaerobe Schwellenleistung). Anpassungen, nach denen alle Ausdauerathlet:innen Ausschau halten…
Die Anwendbarkeit
Doch lässt sich dies nun in den Freizeitsportbereich übertragen? Sicherlich ist das nicht ganz so leicht möglich. Grundlage dieser Trainingsform sind enorme Umfänge, die allein aus orthopädischer und zeitlicher Sicht für die meisten Hobbysportler:innen schwer umsetzbar scheinen. Außerdem hat nicht jeder dauerhaft die Möglichkeit, im Training Laktat zu messen. Deshalb halten wir für viele Freizeitsportler mit limitierter zeitlicher Verfügbarkeit und viel Verbesserungspotential im Bereich der VO2max-Entwicklung ein polarisiertes Trainingskonzept nach wie vor in vielen Phasen für erfolgsversprechender. Seitdem Laktatmessungen auch im ambitionierten Freizeitsportbereich Einzug gehalten haben, können aber insbesondere in (Höhen-)Trainingslagern schwellenbasierte Trainingsformen vor zu hohen Trainingsloads schützen. Damit ist ein hoher Umfang ohne Übertraining unabhängig von der (klimatischen) Umgebung durch Messung eines internen Parameters realisierbar. Mit gut eingestellten Trainings-Zonen und etwas Körpergefühl lassen sich später auch ohne ständige Messungen die richtigen Tempobereiche treffen.
Trainingspläne
Wenn du jetzt Lust hast, dieses schwellenorientierte Training der Norweger mal auszuprobieren, empfehlen wir dir unseren Trainingsplan "Norwegisches Schwellentraining (aka Norwegian double treshold training)" auf TrainingPeaks. Dieser Trainingsplan greift die von Bakken vorgestellte Trainingsmethodik der norwegischen Top-Sportler auf und verpackt sie in ein herausforderndes aber gut umsetzbares Trainingskonzept, das sich mit etwas Körpergefühl auch ohne stetige Laktatkontrollen umsetzen lässt. Ambitionierte Athlet*innen finden hier einen neuen Trainingsreiz und eine spannende Herausforderung.
Falls du lieber polarisiert trainieren möchtest, findest du in unserem Store bei TrainingPeaks auch Pläne mit einem Fokus auf der Entwicklung deiner VO2max. Egal welcher Trainingsansatz, Niveau und Ambition: Wir wünschen Dir viel Spaß beim Trainieren!
Quelle:
Casado, A.; Foster, C.; Bakken, M.; Tjelta, L.I. Does Lactate-Guided Threshold Interval Training within a High-Volume Low-Intensity Approach Represent the “Next Step” in the Evolution of Distance Running Training? Int. J. Environ. Res. Public Health 2023, 20, 3782. https://doi.org/10.3390/ ijerph20053782