Carbon-Schuhe: Chancen & Risiken
Carbonschuhe sind im Trend. Die Profis tragen sie, fast jede:r Hobbyläufer:in trägt sie und auch im Triathlon sind sie nicht mehr wegzudenken. Aber machen Carbonschuhe dich wirklich schneller? Und wie sieht es mit dem Verletzungsrisiko aus? Wir beleuchten in diesem Beitrag die Chancen und Risiken des Laufens mit Carbonschuhen.
Immer, wenn eine neue Technologie den Laufsport erreicht, werden Rekorde deutlich häufiger verbessert. Einige der markantesten Beispiele dafür sind: Spikes, der Startblock, die Tartanbahn (später der Mondo-Belag) und neuerdings auch die Wavelight-Technologie. Eine Entwicklung, die in der aktuellen Läufergeneration einschlug, wie eine Bombe, sind Carbonschuhe. Seitdem Schuhe mit weichem, responsivem Schaum und mindestens einer Carbonplatte in der Sohle Einzug in den Laufsport gehalten haben, fielen fast alle Weltrekorde von 5000m auf der Bahn bis hin zum Marathon. Damit ist die Notwendigkeit der Verwendung, um auf Weltniveau konkurrenzfähig zu sein, kaum noch wegzudiskutieren. Doch auch im Freizeitsport finden sich in allen Leistungsklassen Läufer:innen mit Carbon am Fuß. Da stellt sich uns als Coaches und Sportwissenschaftler direkt die Frage: Bringt das was und wenn ja, warum?
Machen Carbonschuhe dich schneller?
Wie so oft, ist die Studienlage zu Beginn noch dünn. Mittlerweile wissen wir aber, das das „schneller sein“ durch Schuhe mit Carbonplatte physiologisch betrachtet bedeutet, dass du bei einer gegebenen Geschwindigkeit eine höhere Laufökonomie hast. Du verbrauchst also weniger Sauerstoff, um diese Geschwindigkeit zu laufen. Oder: bei gleichem „Aufwand“ kannst du eine höhere Geschwindigkeit laufen. So die Theorie…
In der Praxis und im Labor zeigt sich ein etwas komplexeres Bild. Während im Durchschnitt (das heißt: für alle Läufer:innen insgesamt) das Laufen mit Carbonschuhen dich ein bisschen schneller zu machen scheint, kann die individuelle Variation von einer 11%-igen Verschlechterung bis hin zu einer Verbesserung um 14% gehen. Sowohl bei kenianischen Elite-Läufern, als auch bei europäischen Amateuren zeigt sich, dass es stark abhängig vom konkreten Schuhmodell ist, ob die Laufökonomie steigt oder sinkt. Ergo: Der richtige Carbonschuh kann dich durchaus deutlich schneller machen. Der falsche Schuh könnte dich verlangsamen.
Unser Tipp: teste verschiedene Schuhmodelle unterschiedlicher Hersteller. Laufe die gleiche Pace für mehrere Minuten mit unterschiedlichen Schuhen und du wirst merken, mit welchem Schuh es leichter geht und welche sich komisch und gegebenenfalls ineffizient anfühlen.
Das Verletzungsrisiko
Doch selbst wenn du einen Carbonschuh gefunden hast, der für dich gut funktioniert und in dem du spürbar und messbar schneller bist: Nun wurde von ersten typischen Verletzungsmustern, die mit der Verwendung von Carbonplattenschuhen assoziiert sind, berichtet.
Zunächst muss ausgeführt werden, dass diese Auswirkungen bei Elite-Athlet:innen beobachtet wurde. Schon zuvor hat man eine Veränderung in den biomechanischen Anforderungen erkannt. So wurde eine niedrigere Schrittfrequenz mit gleichzeitig längerer Flugzeit, größerer Schrittlänge und damit verbundener höherer vertikalen Krafteinwirkung und veränderter Mechanik in Sprunggelenk und Zehengrundgelenk bei der Verwendung von Carbonschuhen beobachtet. Der Erklärungsansatz ist, dass die Carbonplatte die Energie zwischenspeichern und wieder abgeben könne, sodass eine erhöhte Laufökonomie resultiere. Das Zwischensohlenmaterial könne hierbei eventuell zusätzlich zum Energyreturn beitragen.
In dem nun erschienenen Fallbericht wird von einer Reihe von Sportler:innen berichtet, bei denen ein akuter Fußschmerz nach der Verwendung Carbonschuhen mit Stressreaktionen der Fußknochen aufgetreten sei. So schlussfolgerte man auf der Erkenntnis der früheren Studienergebnisse, dass es zu einer erhöhten Belastung des skeletalen Systems durch vielfältige biomechanische Veränderungen, wie etwa einer erhöhten Verschiebung von Knochen im Fuß (Os naviculare und cuneiforme) und einer Verlagerung der Kräfte auf den Rückfuß, komme. Einen zusätzlichen Beitrag könnten die durch Carbonschuhe realisierbaren höheren Geschwindigkeiten im Training mit daraus resultierender größerer insgesamter Krafteinwirkung haben.
Mit diesem Fallbericht beschreiben die Autoren erstmals Verletzungsmuster, die in möglichem Zusammenhang mit Carbonschuhen stehen könnten. Sie weisen hierbei darauf hin, dass Carbonschuhe - insbesondere mit der Erfahrung aus dem Trend der Minimalschuhe, deren Verwendung auch zu Knochenstressreaktion geführt hätten - mit Vorsicht zu genießen seien. Auch der Knochen sei ein anpassungsfähiges Organ, dem jedoch auch die nötige Zeit zur Anpassung gegeben werden sollte: Der Wechsel zu Carbonschuhen solle vorsichtig und stufenweise durchgeführt werden und bei typischen Mittelfußsymptomen in Verbindung mit Carbonschuhverwendung sensibel reagiert werden. Der Fallbericht soll damit Anlass sein die möglichen Auswirkungen in Zukunft großflächig genauer zu beleuchten.
Wir hoffen Euch hat dieser Exkurs in die Sportmedizin Freude bereitet und auch Ihr seid bei dem Wechsel zu den Carbontretern vorsichtig. Aufgrund des immer breiteren Einsatzes der Carbonschuhe im Freizeitsportbereich und im täglichen Training sehen wir die genannte Studie und den Fallbericht als wichtige und interessante Beiträge an. Kudos an die Studienautoren!
Quellen:
Knopp, M. et al. (2023). Variability in Running Economy of Kenyan World‐Class and European Amateur Male Runners with Advanced Footwear Running Technology: Experimental and Meta‐analysis Results. Sports Medicine (Auckland, N.Z.)
https://doi.org/10.1007/s40279-023-01816-1
Tenforde, A. & Hoenig, T. & Saxena, A. & Hollander, K.. (2023). Bone Stress Injuries in Runners Using Carbon Fiber Plate Footwear. Sports Medicine (Auckland, N.Z.).
https://doi.org/10.1007/s40279-023-01818-z