Die letzten Wochen vor dem Marathon: Tipps für dein Last-Minute-Paniktraining
Hier beantworten wir die gängigsten Fragen unserer Athlet:innen bezüglich der letzten Trainingswochen vor dem großen Marathon-Rennen. Außerdem geht es darum, wie du nochmal das Optimum aus deinen letzten Trainingseinheiten rausholen kannst und wir lüften das Geheimnis um die perfekte Taper-Strategie.
Die letzten Wochen des Marathon-Trainings: hohe Umfänge und spezifische Longruns
Die letzten Wochen der Marathonvorbereitung (die Taper-Phase direkt vor dem Wettkampf ausgenommen) sind traditionell geprägt von hohen Trainingsumfängen und - im besten Fall - spezifischen Longruns.
Wenn du eine ausreichend gute und lange Vorbereitungsphase absolviert hast, dann solltest du hier belastbar genug sein, um die Trainingsumfänge zu verkraften und in deinen langen Läufen spezifische Abschnitte im angepeilten Marathontempo absolvieren können. Ist das der Fall, dann liegt dein Fokus in dieser Phase vor allem auf der Ökonomisierung deines Marathon-Tempos. Zusätzlich kannst du in den spezifischen Longruns bereits deine Ausrüstung (Kleidung & Schuhe) sowie deine Verpflegungsstrategie testen. Kleidung sollte nicht scheuern oder anderweitig unangenehm werden, die Schuhe sollten auch nach 30km noch zulassen, dass du deinen Laufschritt halten kannst und keine Druckstellen oder Blasen entstehen lassen. Deine Verpflegung (idealerweise in Form von Gels und/oder kohlenhydrathaltigen Getränken) sollte gut verträglich sein und so dosiert, dass du sie auch spät im Rennen noch gut zu dir nehmen kannst. Die meisten unserer Sportler:innen nehmen zwischen 50-100g Kohlenhydrate pro Stunde auf. Welche Menge und Form für dich funktioniert, solltest du im Training unbedingt testen, damit du dich am Renntag drauf verlassen kannst.
Wenn du eine Leistungsdiagnostik mit Spiroergometrie gemacht haben solltest, empfehlen wir dir, deinen Coach oder dein:e Leistungsdiagnostiker:in deinen Kohlenhydratverbrauch bei deinem angestrebten Marathon-Renntempo ausrechnen zu lassen, damit du dann kalkulieren kannst, ob die Kombination deines körpereigenen Glykogenspeichers und der aufgenommenen Verpflegung bis zum Ende des Rennens dafür sorgen, dass du genug Energie an Bord hast. So vermeidest du mithilfe einer kleinen Kopfrechenübung den gefürchteten „Mann mit dem Hammer“.
Training bei akutem Trainingsrückstand: Was kannst du jetzt noch retten?
Gehörst du aktuell eher zu denen, deren Vorbereitung eher schlecht als recht war - z.B. durch krankheitsbedingte Trainingsausfälle - dann gilt es, in der letzten Phase des Trainings die Ruhe zu bewahren. Hüte dich davor, jetzt noch zu viel zu wollen und Training „nachzuholen“. Fokussiere dich viel mehr darauf, mit den Trainingseinheiten, die du jetzt noch absolvierst, die richtigen Effekte zu erzielen. Das Ziel jeder Einheit sollte sehr klar definiert sein. Meistens ist es ratsam, vorsichtig die Umfänge zu steigern und die Intensitäten eher zu vernachlässigen. Steigere auf keinen Fall beides gleichzeitig.
Der Marathon ist für die meisten von uns eine eher lange Angelegenheit (global average time: 4-5 Stunden). Daher wirst du mit Last Minute Training die besten Effekte erzielen, wenn dieses Training vor allem auf die Verbesserung deiner aeroben Ausdauer abzielt. Das bedeutet also: lockere, eher lange Grundlagenläufe, ggf. gespickt mit langen Intervallen (mind. 5min, gerne auch länger als 10min) im angestrebten Marathontempo. Die Notwendigkeit eines 35 oder 40km langen Laufes vor dem Marathon sehen wir nicht, da bei nicht ausreichend vorbereiteter Grundlage die Belastung durch so einen mehrstündigen Trainingslauf so hoch ist, dass du kaum in der Lage sein wirst, direkt danach ordentlich weiter zu trainieren. Einen viel besseren Effekt erzielen die meisten unserer Sportler:innen durch ein etwas erhöhtes Gesamtvolumen und marathonspezifische Longruns im Bereich von 28-32km, mit Abschnitten im oberen aeroben Bereich (bzw. im Marathontempo) in der zweiten Hälfte. So vermeidest du extreme Ermüdung durch einzelne Einheiten, kannst aber trotzdem sehr spezifisch für den Marathon trainieren.
Versuche außerdem, bei deinen letzten Trainingseinheiten - vor allem bei langen Läufen >90min - deine Marathonverpflegung zu testen. Auch wenn du initial noch etwas Schwierigkeiten mit der Aufnahme von Kohlenhydraten hast, kannst du deinen Magen-Darm-Trakt trainieren und die Aufnahme verbessern sowie ein unangenehmes Bauchgefühl reduzieren, indem du das regelmäßig machst.
Die Kunst des Taperns: Wie viel Training ist richtig in der Woche vor dem Marathon?
Das wichtigste vorweg: Beim Tapern gibt es keine goldene Regel. Wie du deine Vorwettkampfphase bestmöglich gestaltest, sollte sehr individuell sein. Nicht nur die Studienlage ist sehr ambivalent, auch unsere langjährige Erfahrung mit Läufer:innen verschiedenster Trainingszustände und Leistungsniveaus hat gezeigt, dass jede:r ein persönliches Optimum hat, wenn es um’s Tapern geht. Eins ist aber sicher: die meisten tapern zu lange und „verschwenden“ wertvolle Fitness durch lange Phasen mit reduziertem Training.
Der Sinn des Taperns ist vor allem die Reduktion der durch das viele Training angehäuften Ermüdung bei gleichzeitigem Auffüllen der Energiespeicher. Die wenigsten Sportler:innen benötigen dazu mehrere Wochen. Unsere besten Erfahrungen haben wir mit folgendem Ansatz gemacht: Der letzte lange und spezifische Lauf findet 7-10 Tage vor dem Marathon statt. (Möglicherweise ist dieser Lauf sogar schon wieder etwas kürzer, als der längste Lauf der Marathonvorbereitung.) Dann wird der Umfang und vielleicht auch die Dichte der Trainingseinheiten reduziert. Wie stark diese Reduktion ist, sollte von der Stärke der Ermüdung nach dem letzten Trainingsblock abhängen und davon, wie schnell du dich erfahrungsgemäß erholst. Häufig bauen wir auch 1-2 freie Tage mehr in die letzte Woche vor dem Rennen ein, als sonst in dem Trainingsplan üblich. So bekommst du neben der Erholung durch einen reduzierten Energieverbrauch die Chance, deine Speicher aufzufüllen.
Die Kunst bei diesem Ansatz ist, die Dosis des Trainings in den letzten Tagen hoch genug zu halten, um die Fitness zu erhalten, aber niedrig genug, um eine vollständige Erholung zu gewährleisten. In der Regel gilt: je besser der Trainingszustand, desto näher an denn Wettkampf heran können Umfang und Intensität noch relativ hoch gehalten werden. Da helfen am Ende nur Erfahrungswerte, die du für dich selbst oder mit deinem Coach sammeln solltest.
Wenn du dir jetzt unsicher bist, wie du dass alles in einem gut strukturierten Trainingsplan zusammenfassen sollst, dann schau dir doch mal hier unsere fertigen Marathon-Trainingspläne an: